Die Geschichte des Ortes Lieblos - und wo der Name herkommt
Das Gründauer Gebiet war, wie auch die weitere Umgebung, aufgrund des vielgestaltigen Naturraumes bereits in vor- und frühgeschichtlicher Zeit ein bevorzugtes Siedlungsgebiet. Davon zeugen viele Bodenfunde in der näheren Umgebung. In Niedergründau wurde in den 1920er-Jahren ein Urnengrab aus der Bronzezeit (etwa 1.000 v. Chr.) entdeckt. Vor wenigen Jahren ist man beim Bau eines Radweges zwischen Mittel-Gründau und Niedergründau auf umfangreiche Spuren frühester Besiedlung durch die sogenannten Bandkeramiker (3.000 v. Chr.) gestoßen. Kurz danach, im April 1993, wurde nordwestlich von Lieblos ein großes Gräberfeld entdeckt und teilweise ausgegraben. Ohne eine dazugehörige Siedlung dürfte es kaum entstanden sein.
Auf die Frankenzeit (etwa 500 bis 800 n. Chr.) gehen die meisten Gründungen der Orte unseres Heimatgebietes zurück- und wohl auch die von Lieblos. Die Bezeichnung „Lieblos“ scheint genitivischen Ursprungs zu sein und dürfte vom Namen des Grundherrn/Gründers, des ersten Besitzers oder auch Führers der Siedlungsgenossenschaft oder auch des Hauptes einer Sippe kommen. Dessen Name „Libila“ oder auch „Libela“ ist nur noch im zweiten Fall oder im Genitiv erhalten. Andere Deutungen sind, dass hier ein Luitbold, Luitbald oder ähnlich seine Niederlassung hatte. Eine Person dieses Namens in dieser oder ähnlicher Form hat demnach zu irgendeiner Zeit, frühestens im 6. Jahrhundert, wahrscheinlich aber nicht lange vor dem 9. Jahrhundert, zu Lieblos in irgendwelcher Beziehung gestanden.
In seinem Buch „Protokolle der Steinzeit“ hat der Autor Richard Fester im Januar 1974 eine weitere Erklärung aufgezeigt. Danach bedeutet die Silbe „Lieb“ Fluss. Siedlungsgeografische Studien belegen diesen Befund ausnahmslos. Lieblos heißt dann entsprechend Flussaue, Flusswasser oder Flussbach.
In einem Vertrag vom 14. September 1173, mit dem sich die Klöster Selbold und Meerholz über die Abgaben einigen, wird Libelas erstmals urkundlich erwähnt. Lieblos kam vom Besitz des Klosters Selbold zum Kloster Meerholz. Nach der ersten Erwähnung wechseln die Namen des Ortes, bis das Dorf 1778 schließlich Lieblos hieß. Die sehr unterschiedlichen Schreibweisen auf dem Weg dorthin dürften auch mit der Mundart zusammenhängen. Noch heute heißt Lieblos abweichend von der geschriebenen Bezeichnung in der Mundart „Laijwelds“ oder auch „Laijbeltz“.
Bei allen Vorteilen, die die verkehrsgünstige Lage des Dorfes an der Verbindungsstraße von und zu den beiden Messe-Städten Frankfurt und Leipzig mit sich brachte und die noch heute die „Frankfurt-Leipziger-Straße“ genannt wird, in Kriegszeiten wirkte sich das verheerend aus: Lieblos wurde im 30-jährigen Krieg fast vollständig zerstört. Die Abgaben (Geld und Naturalien) an die immer wieder einquartierten Truppen waren für ein kleines Dorf kaum zu leisten. Durch unmittelbare und mittelbare Kriegseinwirkungen, Hunger und Pest waren von den etwa 60 Familien, die die Einwohner von Lieblos darstellten, gegen Ende des Krieges kaum noch zehn Familien übrig.
Bei dem französischen Rückmarsch nach der Völkerschlacht bei Leipzig wurde das Dorf hart mitgenommen.
Napoleons Vorhut, bestehend Kürasaus 6.000 Dragonern, sieren und Jägern, war auf dem Rückzug nach der verlorenen Schlacht bei Leipzig am 29. Oktober 1813 in Salmünster aufgebrochen. Morgens gegen 7 Uhr folgte Napoleon mit seiner Großen Armee“, bestehend aus einigen Tausend Soldaten. Auf der Höhe zwischen Wirtheim und Höchst leitete er den Angriff auf Gelnhausen und nach zweistündigem Kampf konnten die Franzosen die Kinzig bei Gelnhausen überschreiten.
Bis in die späte Nacht dauerte der Durchmarsch durch die Stadt. Die durch das Kinzigtal zurückeilenden Soldaten waren nach den Angaben ihrer eigenen Offiziere außer Rand und Band, heruntergekommen und durch weite Märsche und Entbehrungen entkräftet. Das traf besonders auf die Nachzügler zu, die plünderten und schlimme Gewalttaten an der Bevölkerung der am Wege liegenden Orte anrichteten.
Von den durchmarschierenden Truppen suchte Napoleons - Generalquartiermeister bei seinem Aufenthalt in Rothenbergen etwa 70.000 kampftüchtige Soldaten aus, die dann am nächsten Tag, 30. Oktober 1813, an der Schlacht im - Lamboywald bei Hanau teil- nahmen. Hier konnte Napolee on seinen letzten Sieg auf deutschem Boden erringen.
Zwischen dem 8. Oktober 1813 bis Ende 1814 starben in Lieblos allein infolge der „epidemischen Nervenkrankheit“ (Typhus) über 100 Personen, also erheblich mehr als die über das sogenannte übliche Maß hinausgehende Zahl von Menschen. Nach der endgültigen Niederlage Napoleons kam durch die Verhandlungen beim „Wiener Kongress“ das Fürstentum Isenburg mit den dazugehörigen Orten am 9. Juni 1815 zu Österreich.
Durch einen Staatsvertrag zwischen Österreich, Preußen und Hessen-Darmstadt vom 30. Juni 1816 wurde die Selbstständigkeit des Fürstentums Isenburg aufgehoben. Gleichzeitig wurde es Hessen-Darmstadt zugesprochen und noch am gleichen Tag zwischen diesem und dem Kurfürstentum Hessen-Kassel geteilt. Seit diesem Tag gehörte das Gericht Gründau mit Lieblos und den anderen Gerichtsorten zum Kurfürstentum Hessen-Kassel. Im Oktober 1866 ging das Kurfürstentum Hessen zusammen mit dem ebenfalls annektierten Herzogtum Nassau und der ehemals Freien Reichsstadt Frankfurt am Main in der neuen preußischen Provinz „Hessen-Nassau auf und wurde Teil des Königreichs Preußen. Unser Gebiet gehörte dabei zum Regierungsbezirk Kassel.
Am 1. April 1944 verfügte ein sogenannter „Führer-Erlass“ die Aufteilung der Provinz Hessen-Nassau in die Provinzen Kurhessen und Nassau.
Die vormals kurhessischen Kreise Hanau, Gelnhausen und Schlüchtern wurden zum 1. Juli 1944 der neuen Provinz Nassau zugeschlagen. Mit der Proklamation Nr. 2 vom 19. September 1945 verkündete der Oberbefehlshaber der US-amerikanischen Militärregierung die Gründung des Landes „Groß-Hessen“. Es bestand aus Teilen des vormaligen Volksstaates Hessen und der früheren preußischen Provinzen Kurhessen und Nassau. Lieblos gehörte nun zum Regierungsbezirk Wiesbaden in Groß-Hessen. 1946 änderte sich der Name von Groß-Hessen in Hessen, das dann nach der Gründung der Bundesrepublik Deutschland zum Bundesland Hessen wurde. (re)
Dieser (gekürzte) Text aus der Feder von Klaus von Berg erschien erstmals im neuen Grindaha-Heft, das der Geschichtsverein auch an seinem Stand beim Jubiläumsfest verkaufen wird.