Bei Auffahr-Crashs ist nicht immer der Hintermann Schuld
Passiert ein Auffahrunfall kurz nach einem Überholvorgang, kann denjenigen, der überholt hat, die volle Schuld treffen. Nämlich dann etwa, wenn der Auffahrende durch das Überholmanöver keine Möglichkeit mehr hatte, für einen ausreichenden Sicherheitsabstand zu sorgen. Das zeigt ein Urteil (Az.: 10 U 7411/21) des Oberlandesgerichts München, über das der ADAC berichtet.
In dem Fall hatte ein Mann ein anderes Auto innerorts überholt. Dabei fuhr er wenige Meter vor dem Überholten wieder auf die rechte Spur. Doch schon nach kurzer Geradeausfahrt musste er stark abbremsen, weil eine Ampel auf Gelb sprang. Das gerade überholte Fahrzeug fuhr auf das Auto des Mannes auf, es hatte nicht mehr rechtzeitig bremsen können.
Wenn trifft Schuld?
Nun forderten beide Parteien Schadenersatz voneinander. Der zu geringe Sicherheitsabstand des Hintermanns sei ursächlich für den Unfall gewesen, argumentierte die eine Versicherung. Der Unfall stehe im Zusammenhang mit dem Spurwechsel des Vordermanns, fand die andere Versicherung. So musste am Ende das Oberlandesgericht die Sache klären.
Die Kammer entschied im Sinne des Hintermanns, der aufgefahren war. Der Überholvorgang mit knappem Einscheren habe dazu geführt, dass der andere Autofahrer keine Chance mehr hatte, den notwendigen Sicherheitsabstand aufzubauen. Der Unfall sei als direkte Folge des Spurwechsels zu werten.
Der überholende Mann hätte sicherstellen müssen, bei dem Manöver keine anderen Verkehrsteilnehmenden zu gefährden. Doch gegen diese gesteigerte Sorgfaltspflicht habe er offenbar verstoßen und dadurch den Unfall allein verschuldet.
Unfall mit Bus
Mitschuld trotz Vorfahrt?
Eigentlich scheint die Sache klar: Wer gegen das Vorfahrtrecht verstößt, muss nach einem Unfall generell haften. Im Einzelfall kann derjenige mit Vorfahrt mithaften – allerdings nur, wenn es gute Gründe dafür gibt. Das zeigt ein Urteil des Amtsgerichts Bremerhaven, auf das der ADAC hinweist. (Az.: 52 C 1266/23)
In dem Fall ging es um einen Autofahrer, der mit seinem Pkw von einem Parkplatz auf eine vorfahrtsberechtigte Straße fahren wollte. An dieser Stelle machte die Straße einen leichten Rechtsknick. Als die Vorderräder des Autos bereits auf der Straße waren, kollidierte ein herannahender Linienbus mit dem Fahrzeug. Eine Frau im Bus verletzte sich bei dem Unfall und forderte Schadenersatz, den die Versicherung des Unfallverursachers aber nur anteilig zahlte. Die Versicherung argumentierte, dass die Busfahrerin den Unfall hätte verhindern können. Da die Straße dort einen Knick macht, wäre ein Ausweichen möglich gewesen – zumal das betreffende Auto erkennbar auf die Straße geragt hatte. Die Busfahrerin hätte laut der Versicherung nicht auf ihr Vorfahrtrecht beharren dürfen. Die Sache ging vor Gericht.
Warum der Autofahrer die Alleinschuld bekam
Das sprach dem Autofahrer die Alleinschuld für den Unfall zu. Entsprechend musste dessen Kfz-Versicherung voll zahlen.
Zur Begründung hieß es vom Gericht: Trotz des Knicks in der Fahrbahn sei es dem Bus weder möglich gewesen, hier auszuweichen, noch entsprechend abzubremsen. Dabei sei auch zu berücksichtigen, dass ein Bus ein recht schwerfälliges Gefährt sei. dpa/dpa-mag