Haitz feiert 850-jähriges Bestehen – Blick in die Chroniken von Heinrich Christe und anderen Heimatforschern
„Hix, Nix und Noll mache es Dörfche voll“ - mit diesem Spruch sind frühere Generationen von Haitzer Mädchen und Jungen groß geworden. Er bezieht sich auf die in früheren Zeiten häufigsten Familiennamen in dem kleinsten Stadtteil Gelnhausens. Der kleinste Stadtteil? Richard Macke vom Geschichtsverein „Haatzer Keerscht sieht das anders: „Seit 1970 wird mein Heimatort als kleinster Stadtteil Gelnhausens geführt, doch die Gemarkung Haitz hat die größte Fläche.“ Wie auch immer, eins ist sicher: Haitz feiert - wie Roth und Meerholz - in diesem Jahr seine erste urkundliche Erwähnung 1173 und damit sein 850-jähriges Bestehen. Am 8. und 9. September steht ein buntes Fest, bei dem die Vereine tatkräftig mitwirken, ganz im Zeichen des Jubiläums.
Die Geschichte und Geschichten aus dem Ort werden ebenfalls in der Chronik über die drei Jubel-Stadtteile verewigt. Friedel Nix, Herbert Vetter und Rudolf Wagner hatten bereits zur 825-Jahr-Feier 1998 im „Arbeitskreis Haitzer Geschichte“ und Fotos die nun Zeitzeugenberichte zusammengetragen, noch einmal zur Geltung kommen werden. Bereits 1973 hatte Heinrich Christe, der letzte Haitzer Bürgermeister vor der Eingemeindung von Haitz nach Gelnhausen, eine Chronik erstellt. Er schrieb: „Dort, wo zwischen den südlichen Ausläufern des Vogelsberges und den nördlichen Spessarthöhen sich die Kinzig aus einer engen Talniederung in eine breite Talmulde herauswindet, liegt in dem sich nach Süden öffnenden Würgebachtal das Dorf Haitz, seit 1970 Stadtteil von Gelnhausen.“
In Zusammenhang mit Kaiser Friedrich I. „Barbarossa“ und der Stadtgründung wird das Dorf „Hegetz“ 1173 erwähnt. In Urkunden und Dokumenten des13. bis 16. Jahrhunderts wird Haitz Hegezes, Hegetz, Heyzs, Hachezis, Hetzis, Hetz, Hecs,Heytz, Hecse, Hetsz, Hecczs, Hatsche, Heicze und Haisze genannt. Laut Christe wurde allgemein angenommen, dass dort Förster (Forstbuben) angesiedelt waren. „Für diese Annahme spricht, dass der angrenzende Wald schon vor 1170 als Königsforst oder Büdinger Forst Erwähnung findet und, nachdem Kaiser Barbarossa in Gelnhausen residierte, Reichswald war. Seine Verwaltung erfolgte zu jener Zeit durch den Forstmeister der Burggrafen von Gelnhausen.“ Wie Heinrich Christe berichtet, gehörten Haitz und das Hofgut Kaltenborn ursprünglich zur Cent (Zentgericht) Gründau und waren zur Bergkirche eingepfarrt. Nach dem allmählichen Zerfall des Reiches kamen die Waldungen in den Besitz der Grafen von Ysenburg und Büdingen, Haitz wurde ysenburgisch. Durch die Teilung des ysenburgischen Besitzes kam Haitz so 1687 an die Meerholzer Linie.
Wann es zur evangelischen Pfarrei der ehemals freien Reichsstadt Gelnhausen gekommen ist, bleibt laut Christe ungeklärt. Er mutmaßt: „Wahrscheinlich ist die Einpfarrung im Zuge der Einführung der Reformation in Gelnhausen (1543) erfolgt. Einen eigenen Friedhof hat Haitz erst seit dem Jahre 1837. Seine Toten sind vorher bei der oberhalb von Gelnhausen gelegenen Godobertuskapelle beigesetzt worden, die bis 1555 zum Kloster Meerholz gehörte. Zu diesem Friedhof führte von Haitz eine direkte Verbindung, die man den Totenweg nannte. Im 16. Jahrhundert erhielten Haitzer Bürger Rechte für den Weinanbau „Am Langen Steg“ vom Kloster Himmelau. Weiter berichtet Christe von Streitigkeiten um Weide- und Viehtriebsrechte im 16. und 17. Jahrhundert mit Gelnhausen und Wirtheim, von Anklagen wegen Hexerei und der Übernachtung von Napoleon im Kaltenborn im Oktober 1813.
Die Pest und der Dreißigjährige Krieg haben auch die Haitzer nicht verschont und stürzten die Bewohnerinnen und Bewohner in Armut. Viele wanderten in andere Gegenden ab oder sogar in ferne Länder und nach Übersee aus. Laut Christe gingen einige Facharbeiter in die Sandsteinbrüche nach Gelnhausen, deren behauenes Material bis nach Frankfurt geliefert wurde. Andere arbeiteten in den Basaltsteinbrüchen des nahen Vogelsberges, zu denen sie einen Anmarschweg bis zu 15 Kilometer in Kauf nehmen mussten, um Geld zu verdienen. Erst nach dem Bau der Eisenbahn zwischen Hanau und Fulda von 1856 bis 1864 begann allmählich ein wirtschaftlicher Aufschwung. Die Errichtung einer Gummiwarenfabrik und einer Glühlampenfabrik in Gelnhausen brachte neue Arbeitsplätze. Manch einer pendelte auch nach Hanau, Offenbach oder sogar Frankfurt zum Arbeiten. Durch diesen Aufschwung erwachte auch ein stärkeres gesellschaftliches und kulturelles Interesse und 1882 wurde in Haitz der erste Verein gegründet: der Gesangverein „Harmonie“.
1909 konnten die Haitzer ihr eigenes Gotteshaus einweihen: Die im Jugendstil erbaute Dankeskirche zählt neben der Alten Schule, die nach einem Brand im Dezember 2022 wiederaufgebaut werden soll, zu den Wahrzeichen des Dorfes. Zu diesem Gotteshaus und der Kirchengemeinde finden sich weitere interessante Details in der Chronik, die zum Jubiläum erscheinen wird.
Heinrich Christe berichtet von einem wahren „Goldrausch“ nach dem Ersten Weltkrieg. Der Schutt aus der um die Jahrhundertwende abgebrannten Glühbirnenfabrik in Gelnhausen enthielt Platin. Das wertvolle Edelmetall befand sich damals in Drähten, die in den Sockeln der Glühbirnen eingebaut waren. Als dies bekannt wurde, suchten Gelnhäuser, aber auch Haitzer Bürger in den Schuttbergen, die zur Auffüllung von Lagerplätzen genutzt worden waren, nach dem Platin, das vor allem in der Zeit der galoppierenden Inflation ein wertvolles Gut und den armen Familien eine finanzielle Hilfe war.
Im Zweiten Weltkrieg fanden laut Christe viele Familien aus den bombadierten Städten insbesondere aus Frankfurt - in Haitz Aufnahme. Das Dorf selbst blieb von Bombardierungen aus der Luft verschont. Erst gegen Ende des Krieges fanden in der Gegend Rückzugsgefechte statt, bei denen Höchst stark getroffen wurde. Durch die Aufnahme zahlloser Flüchtlinge mussten neue Siedlungsgebiete ausgewiesen werden. Haitz wuchs. Heinrich Christe berichtet vom Strukturwandel des Ortes, der 1970 an die Stadt Gelnhausen angeschlossen wurde, und er schreibt: „Aus dem verträumten Dörfchen ist ein moderner Stadtteil geworden.“ Dazu trugen auch die Bebauung des Rausches bis hoch an den Wald und die Erschließung des „Taubengartens“ zwischen Gelnhausen und Haitz bei. An der Kremp`schen Spitze ist ein kleines Einkaufszentrum entstanden, mit dem ein Name eng verbunden ist: der des Schneidermeisters Flach. In der Reihe „Haitzer Heimathefte, 2009, Haitz im Jahre 1940, Seite 41“ heißt es: „Schneidermeister Karl Flach kann als Begründer der bislang erfolgreichsten Haitzer Kaufmannsfamilie beschrieben werden. Mit einem Schneidertisch, auf dem er stets im Schneidersitz saß und oft seine Kunden in stundenlange Gespräche verwickelte, einer Schneiderpuppe und einer Nähmaschine legte er den Grundstein für ein heute vor den Toren des alten Dorfes gelegenes Einkaufszentrum. (...) Er führte in seinem Textilhandel als Erster in der Branche ein Rabattmarkensystem ein, das Kundschaft auch von außerhalb anlockte.“
Die Chronik beleuchtet auch das Haitzer Vereinswesen, Landwirtschaft, Handwerk und Handel, das dörfliche Leben mit Backhaus und Hausschlachtung, das kulturelle Leben, Kerb, Gaststätten, Eisenbahn, Wasserversorgung, Schulwesen, Kirchengemeinde und viele Themen mehr. Natürlich erfahren Leserinnen und Leser auch, warum die Bewohner des kleinsten Gelnhäuser-Stadtteiles als „Haatzer Keerscht“ bekannt sind.
Heinrich Christe charakterisiert die Dorfbewohner so: „Offenheit, Ehrlichkeit und das Gefühl, als Gast angenommen zu sein, prägen die Haitzer Feste, vom Brunnenfest über die Kerb bis zum Dorffest. Haitz und seine Bürgerinnen und Bürger sind in der Stadt Gelnhausen zwischenzeitlich für Frohsinn, Gemütlichkeit und liebenswerte Gastfreundschaft bekannt. Gut so! Sie mögen sich ihre Offenheit, ihre Gastfreundschaft und Liebenswürdigkeit auch für die Zukunft erhalten!“ Anm. d. Red.: Bei Redaktionsschluss stand leider noch nicht fest, wann und wo die Chronik über die drei Jubiläumsstadtteile erhältlich sein wird.